Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Alle Wege (im Sandtal) sind das Ziel 27.03.2024 Wer eine Reise unternimmt, kann etwas erzählen, sagt das Sprichwort. Wer wandert, kann das auch, möchte ich ergänzen. Man wird nämlich nicht gereist, sondern muss den eigenen Bewegungsapparat benutzen. Dadurch wird das Erleben intensiver, prägt sich nachhaltiger ein und geht in die Knochen. Das spürt man noch Stunden danach. Bei mir ist das gerade so. Aber von Beginn an: Gegen 10.00 Uhr lasse ich mein Auto auf dem Parkplatz der Sandtalhalle in Darlingerode stehen. Am gleichnamigen Bach gehe ich zügig ins Tal hinein und biege nach zehn Minuten ab, links in den Hang. Von nun an ist es Wandern im zweiten Gang, fünf Kilometer steil aufwärts am Berg entlang und knapp 250 Höhenmeter zu bewältigen. Klingt nicht viel, spürt man aber. Allerdings kann ich bergauf deutlich besser, als abwärts. Zunächst erweist sich der Weg als verdammt steil. Ich brauche viel Puste und kleine Pausen, denn auf dem ersten Kilometer stiefelt man zweihundert Höhenmeter und die haben es in sich! Zum Glück bin ich allein bei dieser Quälerei am Berg, niemand hört mich schnaufen. Nur ein einsamer Mountainbiker quält sich hinter mir in seinen Pedalen. Ein stummer Gruß, dann hat er mich überholt. Ich folge ihm, denn von nun an ist die Steigung gemächlich, nicht mehr zu spüren. Ein grandioser Blick zum Brocken lenkt mich ab. Da liegt seit zwei Tagen noch einmal Schnee und der lässt das Plateau weiß glänzen. Die Aussicht ins obere Sandtal ist spektakulär. Die Hänge sind fast kahl, dafür kann man alle Wege gut sehen. Hätte ich mal lieber besser aufgepasst und hingeschaut! Mir wäre vielleicht einiges erspart geblieben. Stünde hier noch dichter Wald, würde ich wahrscheinlich durch ein Spalier von Stämmen wandern und ansonsten nichts sehen. Ich genieße diesen Weitblick, spüre die grelle Sonne, die auf mein spärliches Haupthaar knallt. Frühlingssonnenbrand ist kreuzgefährlich, zumal ein frisches laues Windchen weht. Nach zwei Stunden, pünktlich zur Mittagsstunde, ist die Mönchsbuche erreicht. Ein Hamburger lockte seine Tochter mit der Aussicht auf einen weiteren Stempel hierher. Meinen drückte ich schon 2016 in das Stempelheft. Damals war Lily noch dabei und der Wald hier dicht. Die Mönchsbuche war schwer zu finden, heute steht sie ziemlich allein auf der Höhe. Egal, der Weg ist das Ziel, denn hier kreuzen sich viele davon. An der Mönchsbuche auf 528m, trafen sich einst Mönche aus den Klostern Ilsenburg und Himmelpforte, um sich unter dem alten Baum, der hier schon immer stand, eine Rast zu gönnen. Heute sind es die Wanderer, die vom Gasthaus „Steinerne Renne“ kommen und zum Waldgasthaus Plessenburg möchten. So ändern sich die Zeiten, die Wege sind die gleichen geblieben. Nach der Verschnaufpause wandere auch ich auf diesem Weg weiter, immer der Nase nach, bis zum Oberförster-Koch- Stein. Dafür brauche ich keine halbe Stunde, denn es gibt keine Steigungen und es läuft sich gut. Hier landet der nächste Stempel im Wanderheft und, wie an der Mönchsbuche auch, hinterlasse ich einen meiner Harzsteine, auf das die gefunden werden. Als eine wortkarge Dame mit Grummelgesicht hier Platz nimmt, mache ich mich wieder auf die Socken und die Waldpiste. Eigentlich hätte ich den Weg abwärts und zurück über den Pisseckenplatz wählen sollen. Eigentlich. Doch aus irgendeinem Grunde laufe ich weiter Richtung Plessenburg und damit wieder aufwärts. Kann sein, dass die Grummellady mich ablenkte. Vielleicht ist sie ja auch eine Hexe. Also trotte weiter und treffe schon bald auf drei Waldarbeiter, die gerade ihre Siesta genießen. Als die Frage nach dem Weg aufkommt, müssen sie lachen. Ich wäre zwar nicht falsch, aber der Abzweig am „Oberförster“ wäre richtig gewesen. Ich könne aber noch bis zum Waldgasthof gehen und von dort ins Tal zurück. Wir quasseln noch eine Weile, als die Grummelhexe auch vorbei kommt. Dann entscheide ich mich, den Rückwärtsgang einzulegen und zurück zum „Oberförster“ zu gehen. Immerhin habe ich inzwischen knapp sieben Kilometer in den Beinen, merke aber davon (noch) nichts. Der Weg, welcher auch immer, ist ja das Ziel. Minuten später stehe ich am Pisseckenplatz. Ein unscheinbarer Flecken, ein Haufen Holz und wieder einige Wege, die sich treffen. Pissecken kann ich nicht entdecken. Bäume, an denen man „eine Stange Wasser“ in die Ecke stellen könnte, auch nicht. Alles kahl, also weiter. Ich solle mich geradeaus am Hang entlang halten und irgendwann rechts ins Tal abbiegen, sagten die drei Waldarbeiter. Also trabe ich weiter, immer noch der Nase nach und am Hang entlang. Der Kopf ist leer, die Beine in Bewegung und der Blick nach vorn, geradeaus gerichtet. Hinter einer Biegung führt dieser Weg wieder steil in die Höhe. Jetzt wundere ich mich, erreiche aber recht zügig die Anhöhe und befinde mich plötzlich hoch oben über dem Sandtal mit einem fantastischen Blick in die Weite der Ebene. So schön, aber hier sollte ich nicht stehen und gucken! Der Weg ist das Ziel, der Gipfel vom Kantorberg (570m) aber nicht. Schlagartig ist mir bewusst, dass ich wieder zweihundert Meter runter muss. Ein anderer Weg muss her, doch welcher? Irgendwo auf der langen Hangstrecke muss ich eine Abzweigung in das Tal übersehen haben, obwohl ich mich stets rechts hielt. Es bringt nichts, zu grübeln. Entweder ich gehe zurück, um den Abzweig zu finden, oder diesen Weg weiter und schaue, wo er mich hin führt. Meine Karte gibt keinen Hinweis darauf, sie ist zu klein! Noch bin ich fit, also entscheide ich, nach einer kurzen Rast, diesem Weg weiter zu folgen, um einen anderen ins Tal zu finden. Schließlich ist jeder Weg, sind alle Wege, das Ziel… Einen halben Kilometer weiter bin ich eine Schleife um den Kantorberg gelaufen, aber immer noch oben. Endlich eine weitere Kreuzung. Rechts führt ein steiniger Weg abwärts durch die „Darlingeröder Schweiz“, geradeaus scheint er auch ins Tal zu führen. Also gehe ich weiter, merke aber schon bald, dass ich falsch liege. Ich will nicht in nächste Seitental. Also zurück, wieder bergan, bis zur Kreuzung. Der steinige Holperweg ist jetzt mein Ziel, obwohl ich noch nie von der Darlingeröde Schweiz“ hörte, wage ich mich auf den Geröllteppich, der vorgibt, ein Weg zu sein. Doch bald wird mir klar, wo ich laufe bzw. Schritt für Schritt stolpere. Dies ist ein Mountain-Trail für die Biker. Inzwischen spüre ich meine Hüfte und die spitzen Steine durch die Fußsohlen. Allmählich beginnt sich meine Muskulatur zu verkrampfen, denn so steil abwärts ist Gift für die künstliche Hüfte. Ein leichterer Weg sollte eigentlich mein Ziel sein, doch nun bin ich hier angekommen und muss da durch, egal wie! Nach einer halben Stunde Quälerei bin ich unten im Tal. Mein Bewegungsapparat streikt, will nicht mehr. Allerdings habe ich noch mehr als einen Kilometer vor mir. Da muss ich wohl oder über die Zähne zusammenbeißen. Diese letzten paar hundert Meter tun weh, das Laufen fällt mir schwer und die Kleidung klebt am Leib. Ich bin fix und foxy, aber irgendwie auch glücklich, als ich nach sechs Stunden den Parkplatz erreiche. So viele Wege, so viele Ziele und alle waren gut, wenn auch nicht jeder optimal. Schlussendlich habe ich siebzehn Kilometer in den Füßen. Ich will unter die Dusche! Die Mönchsbuche im Jahre 2016